SENTINO - LA VIDA LOCA (SENTINOS WAY II)

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Noch Anfang des Jahres, als sich Berliner Rapper im Wochenturnus verbal die Köpfe einschlugen, dominierte eine Frage die Szene: Wer ist Sentence? Was ist dran an den Ghostwritervorwürfen? Kann ein Jungspund wirklich für Flers Parts auf "Carlo Coxxx Nutten" verantwortlich sein – immerhin die besten Reime seiner Karriere?

Eine bessere Promo für ein Debütalbum gibt es kaum. Mit "Sentinos Way" präsentiert der Berliner ein Doppelpack. Ein Statement zur Ghostwriterfrage bleibt jedoch aus: "Ich will niemanden bloßstellen", sagt er im Interview. Dafür legt er sich im Intro ins Zeug: "Denn ich hab Game, also pass mal auf, du Arsch: Die Glock macht mehr Schüsse von deinem Kopf als ein Passbildautomat." Gerappt auf eine apokalyptische Arie – ein starker Auftakt.

Früher achtete man bei Mixtapes auf fließende Übergänge. Heute, wo Fans kaum noch wissen, was ein Tapedeck ist, verliert das an Bedeutung. So wechselt Sentino fröhlich von Weltuntergangsstimmung zu hektischen Synthies aus Headrushs Produktion. Die Presseinfo spricht von der "Geburtsstunde des Acid-Reggaetons". Was auch immer das heißen mag – solange es so klingt, ist es egal.

Ein weiterer Beat wird blumig als "Pianobanger" beschrieben: "Zwischen Miami und Dre's 'Crib' landen die Stuttgarter Drama Monks einen Track, der einem die Tränen in die Augen treibt." Leider ist die Melodie von "Nutte Nutte" schlicht von Massive Tönes "Geld Oder Liebe" geklaut. Der Text? Ein Blödsinn, den der Titel schon erahnen lässt.

Zweifellos hat Sentino Talent. Vom Mentor Kool Savas hat er viel gelernt. Er rappt rhythmisch sauber, flowt, singt. Doch müssen die Texte so dämlich sein? Der millionste Song über Oralsex, Drogenhandel und das Starleben ist überflüssig. Stattdessen disst er Blumentopf und Raptile. Warum nicht auch Eko oder Torch? Gähn.

Nur wenige Tracks stechen hervor. "Was Ich Mach" etwa: mit genialer Cembalolinie und gepitchter spanischer Hook. Oder "Fünf Vor Zwölf": ein trashiger Beat, der an amerikanische 70er-Detektivserien erinnert. Schwer vorstellbar, dass der Track wirklich ein Freestyle ist – zu einstudiert wirkt das Zusammenspiel aus Produktion und Rap. Falls doch: Respekt.

Herausragend ist "Genie", in dem Sentino sich gegen den Vorwurf wehrt, er klinge wie andere. Ironischerweise imitiert er dabei Savas' Style und fordert: "Gib mir meinen Flow zurück." Frechheit oder geniale Selbstironie? Wahrscheinlich ersteres. Dennoch überzeugt der Track.

Sentino hat großartige Technik, Flow und Ideen. Doch die Umsetzung ist zu stark vom Berliner K-Kanon (Kiffen, Karre, Koks, Knarre, Kohle) geprägt. Seine Wortspiele sind selten witzig. Sich an einem Großmeister wie Savas zu orientieren, ist nichts Schlechtes – doch man muss dessen Humor verstehen, sonst geht das nach hinten los.

Mit besserer Beatauswahl, weniger Protzerei und mehr Selbstironie könnte Sentino den deutschen Rapmarkt aufrütteln. Andernfalls bleibt er ein weiteres ewiges Talent. Neben Charnell, Big Derill Mack und Rhymin Simon ist noch Platz.